Jürgen Umlauff´s farbenforschende Malerei / Einige Gedanken von Ralf Kulschewskij
Die Genese der Umlauffschen Malerei und ihr evolutionärer Fortgang bis zu den auf die Farben Blau und Gelb sich konzentrierenden „Iterationen“ sind bereits beschrieben worden (Kulschewskij, Katalog „Umlauff, Iterationen“, 2003 und Internet). Es ging bei dieser Reduktion um eine fokussierende Sicht dieser für elementarer (als das Rot) gehaltenen Farben – das Bemühen um ihre phänomenologische Er-Gründung war optisch und mental evident.
Der zu konstatierende Versuch, „das Rot nicht nur zu marginalisieren, sondern es vollständig zu eliminieren“ (ebenda), konnte aus zunächst geheimnisvollen Gründen nicht gelingen. Ins korrespondierende Verhältnis von gelben Grundflächen und blauen Zeichenelementen mischt sich etwas Fremdartiges ein. Was in zart kolorierter, geradezu klassisch anmutender Harmonie vor das Auge tritt, birgt eine Irritation. Auch wo geomorphe Konturen sich ausmachen lassen und Land und Wasser assoziiert werden können, entsteht in leichter, doch alsbald nicht mehr zu übersehender Tönung, eine merkwürdige strahlende dritte Erscheinung. Der eindringliche Blick entdeckt neben den gemalten beiden Farben eine weitere und zwar tatsächlich nicht gemalte Farbe: ein schimmerndes Rosa etwa oder ein luzides Rot.
Dieses dritte Element ist es schließlich, welches das Auge erst sanft und dann in zunehmend bezwingender Weise bannt und stimuliert. Manche Bilder der neueren Farbenmalerei erzeugen bei intensiver Betrachtung so genannte Nachbilder mit den jeweiligen Komplementärfarben (schaut man beispielsweise ein Grünes Gemälde von Gonschior lange genug an, „sieht“ man als Nachbild Rot. Um das farbenkompositorische Problem aufzulösen, setzen traditionelle Maler gern einen eindeutig roten Fixpunkt oder eine kleine rote Fläche ins Bild (besonders klar bei konstruktivistischen Künstlern nachzuweisen). Anders Jürgen Umlauff: er thematisiert gerade dieses seh-phänomenale Dilemma, um ihm wo möglich auf den Grund zu kommen. Er untersucht – als unverbesserlicher Empirist – die entscheidende Stelle der Parusie, an der zwischen den gemalten Farbflächen und –zeichen unvermutet das menschliche Gehirn auftritt: es spielt nämlich seinen eigenen Augen einen frappierenden Streich! Mit seinem durch Seh-Erfahrung legitimierten normativen Anspruch „korrigiert“ es die Wirklichkeit des gemalten Bildes. Es „zeigt“ zwischen den in Aquarell auf Papier oder Aquarell und Acryl auf Nessel aufgetragenen Formen etwas realiter Nicht-Existentes:
Eine Ein-Bildung im vertracktesten Sinn des Wortes. Über die anfängliche Irritation hinaus erhält diese Erscheinung beinahe den Nimbus eines „rein-geistigen“ Geschehens, jedenfalls den eines supra-naturalen Phänomens (Begriffe wie „Hof“, „Aura“, „Halo“ waren andere Versuche der Definition, siehe Kulschewskij a.a.O.)
Jürgen Umlauffs „Iterationen“ sind insistente Annäherungen an eine Grenze: an diejenige zwischen Sehen und Wahrnehmen. In immer neuen Versuchen der malerisch konkreten Appropinquation erforscht er das Wesen der Farbe und die Bedingungen ihres Gesehenwerdens durch den menschlichen Geist: „esse percipi“, Sein ist Wahrgenommenwerden. Den älteren Vertretern der Farbenmalerei (Jochims, Hofschen, Gonschior, Erben) ist eine jüngere Generation gefolgt, zu deren interessantesten und ernsthaftesten Protagonisten Jürgen Umlauff (geboren 1960) gehört. Mit sensibler Stringenz, jedoch ohne utopische Imponderabilien – deren liefert erfahrungsgemäß die menschliche Imagination allzu genug – praktiziert er eine investigative Kunst.